über die wertigkeit der kultur
„Die Kunst ist in der Lage, die Welt für einen Moment der Ewigkeit aufzuhalten. Das kann sonst nur die Liebe.” (Klaus Maria Brandauer)
Über die Wertigkeit der Kunst wurde bereits viel gesagt, geschrieben und veröffentlicht. Da ist nichts Neues zu berichten. Auch an dieser Stelle nicht. Aber im Zuge der Pandemie geschehen auch in der Kultur Momente, die der genaueren Betrachtung bedürfen.
der wert der kultur
In den pandemischen Jahren haben wir überdeutlich gespürt, wie wenig Kultur eigentlich zählt. Wo Theater schließen mussten, die Bundesliga aber fröhlich weiterlief mit bald zigtausend Zuschauern, wo freie Schauspieler selber sehen mussten, wie sie über die Runden kommen und Konzerte noch nicht mal im Freien stattfinden durften, als längst bewiesen war, was für sichere Orte sie sind.
Stattdessen wurden Schaufenster aktiviert, in den sonst toten Fußgängerzonen. Es gab Applaus auf Balkonen und Rufe nach Förderung der Kultur und vor allem der Künstler.
Vieles kam, manches verhallte. Wie so oft.
„Kultur ist essentiell und systemrelevant.“ Mit Beginn der coronabedingt neuen Einschränkungen hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Bedeutung der Kultur in der aktuellen Lage betont. «Gerade jetzt brauchen wir Kultur mehr denn je. Zur Ermutigung, zur Stärkung, zum emotionalen Zusammenrücken», sagte Steinmeier während eines online aus dem Schloss Bellevue in Berlin gestreamten Abends zu Ehren des Dichters Paul Celan.
Kultureinrichtungen im ganzen Land müssten nun wieder kreative Lösungen finden, um ihre Musik, ihr Spiel, ihre Kunst zu den Menschen zu bringen. „Sie stehen extrem unter Druck, kämpfen ums Überleben.“ Wenn wegen der Pandemie der Weg ins Theater, Konzert oder in Ausstellungen nicht möglich sei, „gerade dann müssen wir uns überlegen, wie wir Kulturschaffende auf anderem Weg unterstützen können“. Da ist also der Wert. Kunst und Kultur sind zwar essentiell, müssen aber schließen; mit Ausnahme der Bundesliga. Das ist eine eindeutige Rangfolge. Da wurde Herr Steinmeier nicht verstanden.
Kultur ist mehr als alles andere ein Wert an sich. Von Mark Twain stammt der Satz: „Kultur ist das, was übrig bleibt, wenn der letzte Dollar ausgegeben ist.“
Geld ist nicht alles, aber ohne es geht es auch nicht. Ein zuweilen mühseliges Feld, das da bearbeitet werden will, kann und muss. Eine Suche im Internet ergibt zum „Wert der Kultur“ 109.000.000 Ergebnisse, die sich teils differenziert, teils polemisch damit beschäftigen. Das soll hier nicht wiederholt werden.
Aber vor dem Hintergrund sozialer Desintegrationserscheinungen und zunehmender Kürzungen öffentlicher Mittel müssen wir gezielt der Frage nach dem (Stellen-)Wert von Kunst und Kultur in unserer Gesellschaft nachgehen.
Auch stellt sich die Frage nach der besonderen Verantwortung und der konkreten Rolle, die den Finanziers durch die gesellschaftlichen Herausforderungen zukommen. Grundsätzlich darf es nicht zu einer Instrumentalisierung und Beauftragung von Kultur kommen. Gesellschaftliche und damit instrumentelle Ziele kann nur die Kulturvermittlung verfolgen.
Sponsoren und Stiftungen sind in der föderalen Konstellation der Kulturförderung nicht Kompensator öffentlicher Förderung, sondern vielmehr ergänzende Vorraussetzung.
Zur Legitimierung von öffentlicher Kulturförderung und zur zentralen Frage nach dem Stellenwert der Kultur, blicken wir in das Grundgesetz: Laut Artikel 20. Absatz 1 des Grundgesetzes ist die Bundesrepublik Deutschland ein demokratischer und sozialer Bundesstaat, von Kulturstaat ist dort nicht die Rede.
Die Freiheit der Kunst wird unter Artikel 5 Abs. 3 des Grundgesetzes geschützt und stellt damit ein Grundrecht dar. Doch Kunst und Kultur können nur frei sein und ihre gesellschaftliche Aufgabe erfüllen, wenn ihnen die dafür notwendige Achtung und Akzeptanz auf bundespolitischer Ebene entgegengebracht wird. Bislang wird die Kulturförderung als freiwillige Aufgabe betrachtet. De facto ist die Förderung der Kultur dem deutschen Staat jährlich ca. 11 Mrd. Euro wert. Damit werden 90% der Ausgaben für Kultur aus öffentlichen Mitteln bestritten – in den USA ist das genau umgekehrt.
Die rund 12 Mrd. Euro von Gemeinden, Bund und Ländern plus 1,5 Mrd. Euro Steuervergünstigungen und 1 Mrd. Kulturförderung im Ausland machen jedoch lediglich 0,4% des Bruttoinlandsprodukts und 1,75% des Gesamtvolumens der öffentlichen Aufwendungen aus. Außerdem rechnet sich Kultur über die Umwegrentabilität volkswirtschaftlich, d.h. die Kulturwirtschaft fristet auch ökonomisch kein Nischendasein (gem. Statistische Ämter des Bundes und der Länder / Kulturfinanzbericht 2022). Ein Trugschluss ist jedoch Kulturförderung als besondere Form der Wirtschaftsförderung zu begreifen. Mit den o.g. Zahlen und Argumenten wird unmissverständlich deutlich, dass Sparmaßnahmen an Kulturetats wenig Sinn machen, da die Bedeutung zu groß und die Etats zu klein sind: Kultur ist nicht nur lieb, sondern auch teuer, aber sie ist alle mal mehr wert, als sie kostet.