Im Kunstprozess entstehen neue Wirklichkeiten und deren Auseinandersetzung wird verstärkt. Bildquelle: © Jörg Pauli | theater&mehr

die auseinandersetzung im künstlerischen prozess

„Die Kunst ist eine Vermittlerin des Unaussprechlichen.” (Johann Wolfgang von Goethe)

in der darstellenden kunst

Theater als darstellende Kunst ist aus soziologischer Sicht eine Sonder­form der Interaktion. Sie basiert auf Kommunikation, Rahmung und spezifischen Konventionen.

Die (theatrale) Kommunikation zwischen Darsteller und Zuschauer erfolgt über die Verkörperung von Figuren im Rahmen einer Spielsitua­tion, in der die darstellenden Akteure bzw. die dargestellten Figuren handeln.

Durch die räumliche Hervorhebung der szenischen Vorgänge mittels der Theaterarchitektur und die körperliche Hervorhebung durch die leiblich­-performativen Handlungen der Darsteller wird diese Rahmung verstärkt.

Zusätzlich wird im Theater, mit Bezugnah­me auf die Realität, eine andere Wirklichkeit geschaffen, in der das Handeln der Figuren als Probe ohne Konsequenz – also als eine „So-tun-als-ob-Situation“ – charakterisiert werden kann. Gleichwohl bietet es dabei Lösungsoptionen.

So entfaltet das Theater eine Bildungswirkung und macht die Nutzer gleichermaßen zu Zuschauern und Spielern.

Parallel erhebt sich ein ästhetischer Anspruch. Die o.g. Bildungs- oder Lerneffekte stellen sich nur über das ästhetische Vergnügen und die Spiellust der Akteure ein.

Eine Ausrichtung an den künstlerischen Arbeitsweisen und Gestaltungsprozessen ist daher unabdingbar. In dem Augenblick, in dem Theaterpädagogik und deren Methoden zum bloßen Mittel oder Lieferanten für außerhalb des Theatermachens liegende Zwecke reduziert wird, verliert es seine kommunikative, soziale und differenzierende Kraft.

Das künstlerische Material beim Theaterspielen sind der menschliche Körper und menschliche Verhaltensweisen und Äußerungsformen. Die Alltagserfahrungen und Lebenszusammenhänge der Beteiligten werden Teil des Materials.

Im Produktionsprozeß bewirkt das zweierlei, die Bearbeitung eigener Erfahrung und das künstlerisch-praktische Tun eröffnen neue Wahrnehmungsweisen von Selbst und Kunst.

in der bildenden kunst

In der bildenden Kunst ist es ähnlich gelagert. Auch hier stehen hinter Kunst und Kunstwerk kreative Prozesse. Im Auge und im Bewusstsein des Betrachters entfaltet sich dann die Wirkung von Idee und Ausführung. Der Prozess ist dabei für den Betrachter meist nicht direkt zu erkennen, manchmal jedoch zu erahnen.

„Der Künstler aber hegt seit alters her ein Unbehagen gegenüber jedem analytischen Exzess, mit dem man seinen schöpferischen Prozess auf dessen Funktionsmechanismen hin untersucht“ (Antoni Tapies, spanischer Maler, Grafiker und Bildhauer, 1923 – 2012). Tapies fühlte sich zum Zen-Buddhismus und zu den Mystikern hingezogen und beklagte das Chaos der modernen Gesellschaft, in der nur von Geld die Rede sei und in der die spirituelle Nachricht, die der Künstler vermitteln möchte, untergeht. In diesem Zusammenhang ergeben sich auch die Auseinandersetzung und der Zweifel eines Künstlers, die sich im Prozess einstellen.

nfänglich ein Beispiel: Mark Rothko, 1903 als Kind jüdischer Eltern in Dwinsk (heute Lettland) geboren, erhielt für die Gestaltung des Speisesaals des Four Seasons im Seagram-Gebäude (ein Bau von Mies van der Rohe) den damals höchst dotierten Künstlerauftrag von 35.000$ (was heute etwa zwei Milionen Dollar entspricht). Er nahm den Auftrag nach einigem Abwiegen an. Nach einem Besuch im gerade fertig gestellten Restaurant zog er den Auftrag jedoch zurück. Auch wenn er bereits mit mehreren Serien rund 40 Bilder geschaffen hatte, musste er sich eingestehen, dass in dem geschäftigen Betrieb des Restaurants keine stille Einkehr möglich war, was das Ideal für die Betrachtung seiner Bilder gewesen wäre.

othko beschreibt in John Logans Stück «Rot» seinen Besuch im Four Seasons: „Man kommt von der 52sten rein … Dann geht man ein paar Stufen hoch zum Restaurant … Man hört den Raum bevor man ihn sieht. Gläser klirren, Besteck, Stimmen, jetzt noch gedämpft, wird aber lauter, während man näher kommt, ein verzweifelter Klang, mit vorgehaltener Pistole erzwungene Heiterkeit … Man geht rein, fühlt sich falsch angezogen, fühlt sich fett, fühlt sich zu verdammt jüdisch für den Ort. Man nennt seinen Namen. Der Blick der hübschen Kellnerin sagt: „Ich weiß wer Sie sind, und ich bin nicht beeindruckt, hier kommen Millionäre her, Kumpel, meinetwegen kannst du auch irgendein Trottel sein, der Marionetten in Tijuana bemalt.“ Sie schnipst nach dem Maitre ’D der nach dem Oberkellner schnipst, der nach dem Kellner schnipst, der dich durch die Menge zu deinem Platz führt, Köpfe drehen sich, jeder beobachtet ständig jeden, wie Raubtiere – Wer ist das? Was ist der wert? Muss man Angst vor dem haben? Muss man den kaufen? … Der Weinkellner kommt, spricht Französisch, du fühlst dich minderwertig, du versteht ganz offensichtlich nichts, ihm ist es egal. Peinlicherweise bestellst du irgendwas Teures, um den Weinkellner zu beeindrucken. Er geht, unbeeindruckt. Du siehst dich um. Alle anderen scheinen hier her zu gehören: Männer mit elegantem, silbernem Haar und Frauen mit Capes und Handschuhen. Irgendein anderer Uniformierter bringt die Speisekarte. Da stehen Dinge, von denen du noch nie gehört hast: Spanferkel unter Glas, Wachteleier in Aspik. Du bist verloren. Und dann … es lässt sich nicht vermeiden, hörst du, was die Menschen um dich herum reden … Was das Schlimmste von allem ist, sie schauen auf Deine Bilder, sie sehen sie nicht an …

un nur so. Alle mögen alles heutzutage. Man mag das Fernsehen und den Plattenspieler und die Limonade und das Shampoo und den Schokoriegel. Alles ist ohne Unterschied nett und hübsch und angenehm. Alles ist SPASS OHNE ENDE! Herrgott, wenn mir jemand sagt, eines meiner Bilder sei „schön“, könnte ich kotzen! Der Kunstmarkt, auf dem Bilder für Millionenbeträge gehandelt werden, macht aus Kunst Ware. Ein Rothko …. Man kauft Status … Man kauft Geschmack … Einfach so, ich bin ein Substantiv. Es passt zur Lampe … Es ist billiger als ein Pollock … Es ist Innendekoration … Oh, gibt es das auch passend zur Kommode? Können Sie das auch in Orange? Es ist alles, außer das, was es ist. Der Ort, an dem ein Bild hängt, ist ebenso wichtig, wie das Bild selbst. Das Auge des Betrachters ist ebenso wichtig, wie das das Bild selbst. Diese Bilder/Werke verdienen Mitgefühl, sie leben oder sterben durch den Blick des sensiblen Betrachters, sie erwachen nur zum Leben, wenn der einfühlende Betrachter es zulässt.“