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Wir wollen dem Betrachter die Möglichkeit geben, sich mit dem Werk Villons und unseren Interpretationen auseinanderzusetzen. Dabei nutzen wir klassische wie experimentelle und eigene Übersetzungen. Dabei entdeckten wir, dass Villon durchaus nicht nur der Romantiker mit den betörenden Liebesworten war, sondern auch ein Macho seiner Zeit, ein Dieb und Poet. In verschiedenen Inszenierungen, die alle auf ihre eigene Art aus unterschiedlichen Blickwinkeln Villon betrachten, versuchen wir Wege der Interpretation. Bildquelle: Villon-Darstellung aus Grand Testament de Maistre François Villon, 1489.

françois villon

„Die meisten haben wenig Hirn, dafür ein kapitales Brett vor ihrer Stirn.” (François Villon)

Der Rauf- und Saufbold, Dieb und hochbegabte Poet, um 1431 in Paris geboren, benutzte die vorgegebenen lyrischen Formen seiner Zeit, um vor allem die recht gekünstelten Strophenformen der Rhétoriqueurs, zum Ausdruck seiner eigenen, in ihrer ungewohnten Intimität ergreifenden Auseinandersetzung mit dem Leben. Immer wieder sprach er demütig-selbstironisch von sich, mit bösem Spott von seinen Feinden, voller Zärtlichkeit von der Mutter und geradezu fromm von der göttlichen Gnade, die er, der sich so sehr vor dem Tod ängstigte, auf sich herabflehte.

In einer derben, oft kaltschnäuzigen Weise, meist mit unverhohlener Sympathie, gestaltete er in seinen Balladen das Treiben des Gelichters in der Gosse, das er so gut kannte, und verschmähte auch nicht den Wortschatz der Gauner und des fahrenden Volkes. Einige dieser Balladen hat er in sein kunstvoll gereimtes Hauptwerk „Le Grand Testament“ eingebettet (1489 erschienen, 1532 Neuausgabe von C. Marot).

Villon erwarb 1452 den Magistergrad an der Universität, führte aber als Mitglied einer Gaunerbande ein höchst unkonventionelles Leben. 1462 wurde er wegen zahlreicher Straftaten zum Tode verurteilt, später wurde die Strafe zu zehn Jahren Verbannung aus Paris abgeändert. Danach verlor sich seine Spur; irgendwann zwischen 1463 und 1480 ist er gestorben.

In der Literatur des späten Mittelalters nimmt die Dichtung des François Villon eine Ausnahmestellung ein, in seiner unverwechselbaren Art ist er ein genialer Nachfahre der Troubadoure des 12. und 13. Jahrhunderts. Seine Lyrik ist gleichzeitig von kritischer Frömmigkeit und von überschäumender Lebenslust gekennzeichnet. In die Trauer um die Vergänglichkeit mischt sich das Lob irdischer Begierde. Er nimmt kein Blatt vor den Mund und nennt die Dinge beim Namen. In seiner Direktheit spricht er auch heute noch den Menschen des elektronischen Zeitalters an. Liest man seine Lieder und Balladen, vergißt man, dass sie vor fünfhundert Jahren geschrieben wurden.

 

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V I L L O N – V A R I A N T E N   U N D   W E I T E R E   I N F O S

[su_spoiler title=“erdbeermund„]

“Erdbeermund” StageArt zeigte in Kooperation mit Die Tanzetage, theater&mehr und Accenti die Premiere „Erdbeermund“, eine „explosive Mischung aus Liebe und grausamer Realität”, wie die WAZ berichtete, mit Schauspielern, Tänzern und Musikern zur Liebe, Lust und Leidenschaft des François Villon in Castrop-Rauxel.

erdbeermund

“…eine kleine Liebesballade, gedichtet für Jeanne C. de Quée.“ (François Villon)

Im Sommer war das Gras so tief,
dass jeder Wind daran vorüberlief.
Ich habe da dein Blut gespürt
und wie es heiß zu mir herüberrann.
Du hast nur meine Stirn berührt,
da schmolz er auch schon hin, der harte Mann,
weil‘s solche Liebe nicht tagtäglich gibt …
Ich hab mich in dein rotes Haar verliebt.

Im Feld den ganzen Sommer war
der Mond so rot nicht wie dein Haar.
Jetzt wird es abgemäht, das Gras,
die bunten Blumen welken auch dahin.
Und wenn der rote Mond so blaß
geworden ist, dann hat es keinen Sinn,
dass es noch weiße Wolken gibt …
Ich hab mich in dein rotes Haar verliebt.

Du sagst, dass es bald Kinder gibt,
wenn man sich in dein rotes Haar verliebt,
so rot wie Mohn, so weiß wie Schnee.
Im Herbst, mein Lieb, da kehren viele Kinder ein,
warum soll‘s auch bei uns nicht sein?
Du bleibst im Winter auch mein rotes Reh
und wenn es hundert schönere gibt …
Ich hab mich in dein rotes Haar verliebt.

villon, kinski und die erdbeeren

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Villon und das Mädchen. Bildquelle: © Jörg Pauli | theater&mehr

Wenn Klaus Kinski mit François Villon wild nach einem „Erdbeermund“ schreit und John Lennon von Erdbeerfeldern halluziniert, dann ist das metaphorische Spektrum der Frucht erst einmal abgesteckt zwischen Berauschung an der Realität und Flucht vor derselben. Neben Umschreibungen für fleischliche Lust gebar das symbolträchtige Rosengewächs der Gattung „Fragaria“ auch Metaphern für fleischliches Leid: In grauen Vorzeiten triefte die blutrote Erdbeere vor Symbolik für das vergossene Blut Christi und der Märtyrer. Die vollreife Frucht konnte aber auch auf die „Blutsreife'“ einer jungen Frau zu Ehe und Mutterschaft deuten. Bedeutungsschwanger bei allen Vorzügen zum Boden geneigt wurde die Erdbeere im Mittelalter schließlich als Sinnbild edler Demut und Bescheidenheit hochgehalten.

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Villon und die alte Frau. Bildquelle: © Jörg Pauli | theater&mehr

Und weiter: „Fast kommentierend, philosophierend, fügen sich Textpassagen des Vagabunden ein, der durch die Lande zieht und den Menschen von Liebe, Lust und Leidenschaft erzählt. Von den Höhenflügen heißester Gefühle und den bitteren Stunden, die fast naturgesetzmäßig folgen, wenn der Zauber zerbricht. Dazwischen Ausschnitte aus dem Leben einer Hure, die gnadenlos Revue passieren lässt, was die kühnen Sprünge ungezügelter Leidenschaft im Laufe der Jahre aus ihrem Körper, ihrem Leben gemacht haben. Allgegenwärtig der Tod, der Verfall, das Grauen: als szenische Finesse eingeflochten in Form einer steinalten, zusammengesunkenen Frau, die Grabesluft zu umwehen scheint.

Das ganze Szenario spielt vor sprechender Kulisse: Tief schwarzer Vorhang, ein feuerrotes Banner im Mittelbereich, ein Galgen und die große Pforte zum Bordell. Die Essenz verkörpert der Dichter, dessen Leben zwischen den Polen brennenden Verlangens, glühender Liebe und marterndem Hunger spielt. Der schließlich am Galgen verreckt, ein jämmerlicher Tod, ein grausiges Ende. Das Publikum honorierte die Aufführung mit tosendem Beifall.“, so die WAZ.

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[su_spoiler title=“eine gestalt im steinbruch„]

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Villon gehört in die Natur: deshalb fand ein Villon-Projekt auch in einem alten Steinbruch statt. Bildquelle: François Villon (Darstellung aus Grand Testament de Maistre François Villon, 1489)

eine gestalt im steinbruch

„… begreif ich’s nicht, behalt ich’s doch genau. Ich, höchst beliebt, verschrien bei jedermann.“ (François Villon)

Kunst in einem alten Steinbruch mag auf den ersten Blick befremdlich wirken. Doch auf den zweiten Blick erscheint es uns stimmig zu sein. Die Natur als Ausstellungsraum zu nutzen, birgt weit mehr Kunst als unser Auge zu erfassen vermag. Und Villon gehört in die Natur. Dort finden wir ihn und auch viele seiner Texte nutzen Stimmungen der Natur. Deshalb fand das Villon-Projekt im renaturierten Steinbruch der Spinnerei Braun und Brudes in Leichlingen statt.

Villons Gesamtwerk ist mit etwa 3300 Versen relativ schmal. Formal eher schlicht und konventionell, beeindruckt es vor allem durch die ungewöhnliche Prägnanz, Lebendigkeit und Ausdruckskraft seiner Sprache und Bilder. Da Villons Texte allesamt prekäre Momente oder Krisenphasen einer bewegten Existenz verarbeiten und den Eindruck einer starken persönlichen Betroffenheit des Autors vermitteln, sprechen sie auch heutige Leser noch an. Villon gilt zu Recht als einer der besten mittelalterlichen Lyriker Frankreichs.

Doch unsere Kenntnisse aus Villons Leben sind leider nur bruchstückhaft und ungleichmäßig. Sie stammen erstens aus sechs erhaltenen Pariser Dokumenten, die Villon in Zusammenhang mit Straftaten erwähnen, zweitens aus einer Sammelhandschrift des Herzogs und Lyrikers Charles d’Orléans (1394 -1465) und drittens und vor allem aus Informationen Villons selbst, die direkt oder indirekt entnehmbar sind aus dem Testament, seinem Hauptwerk.

 

 

 

 

Villon in Rage. Bildquelle: © Jörg Pauli | theater&mehr
Die Hure. Bildquelle: © Jörg Pauli | theater&mehr
Villon. Bildquelle: © Jörg Pauli | theater&mehr

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Villon hängt. Bildquelle: © Jörg Pauli | theater&mehr
Villonflyer Bild 7
Wenn alte Frau’n… Bildquelle: © Jörg Pauli | theater&mehr
Villonflyer Bild 6
… im Werte sinken… Bildquelle: © Jörg Pauli | theater&mehr

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Was sonst im Steinbruch ist und welche Künstler ihre Objekte dort ausstellen, finden Sie unter der Seite der Spinnerei Braun & Brudes.

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[su_spoiler title=“tu“ was du willst„]

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Für “Tu’, was Du willst” zeigten wir einen François Villon in unserer Interpretation: einen Rauf- und Saufbold, einen Dieb und hochbegabten Poeten, einen verliebten Romantiker und einen “Macho” seiner Zeit.

tu‘, was du willst

„Im Liegen, vor dem Fallen auf der Hut, bin reich ich, der ich nichts verlieren kann…“ (François Villon)

„Tu, was Du willst…“, ein Zitat Aleister Crowleys. Der Name Crowley wirkt nicht selten wie ein falsches Losungswort, dessen Nennung schleunigst alle Türen verschließt. Nach bewährter Pharisäerart werden seine Person und sein Werk gern in jenen Bereich menschlicher Erfahrung verwiesen, der durch unverrückbare Vorurteile verriegelt ist. So bleibt -zumindest scheinbar- die Auseinandersetzung mit all den Phänomenen erspart, die gern mit seinem Namen in Verbindung gebracht werden: Schwarze Magie, Satanismus, schwarze Messen, alles Schändliche, Verruchte, Unanständige, Unerhörte, Widerliche; das Böse schlechthin.

Ähnliche Reaktionen werden beim Nennen des Namens François Villon gezeigt, sofern man ihn denn überhaupt kennt. Der Rauf- und Saufbold aus dem 15. Jahrhundert verdankt seinen heutigen Bekanntheitsgrad hauptsächlich den Rezitationen und Interpretationen Klaus Kinskis sowie einer Übersetzung/Neudichtung Paul Zechs. So werden auch Villon die schändlichsten, verruchtesten und unanständigsten Taten zugesprochen.

Wenn in einer sterilen und seelisch verkümmerten Welt die Jugend aus der Abgestumpftheit tödlicher Langeweile heraus den letzten „Kick“ in schwarzen Messen sucht und ihre nächtlichen Parties auf Friedhöfe verlegt, kann man das Crowley selbst dann nicht anlasten, wenn dabei sein Name auf Grabsteine geschmiert wird.

Wenn sich heute Zirkel bilden, die sich okkult nennen, die merkwürdigsten Theorien vertreten und obskure Rituale pflegen, die aber eigentlich dringendst psychiatrischer Hilfe Betreuung bedürfen, hat das nichts mit Crowley zu tun.

Und wenn Manson und andere Wahnsinnige sich bei ihren Greueltaten auf Crowley berufen, sei daran erinnert, dass Crowley selbst Zeit seines Lebens nie kriminell geworden ist und dass ähnliche Taten von anderen seelisch Kranken im Namen des Kreuzes und jeder anderen hohen Idee begangen wurde.

Und wer mit dem Hinweis auf eine möglicherweise schädliche Wirkung die Verbreitung seines Werkes verhindern will, sei daran erinnert, dass das Werk eines der hervorragendsten Köpfe unseres Volkes eine nachweislich verheerende Wirkung hatte, ohne jemals auf den Index gesetzt zu werden:

Als Johann Wolfgang von Goethe „Die Leiden des jungen Werther“ schrieb, traf er damit so den Nerv der Zeit und wühlte die Gemüter seiner Leser derart auf, dass sich junge Menschen gleich scharenweise das Leben nahmen und man von einem „Werther“-Syndrom sprach.

der wille zu sich selbst

Beide, Crowley als auch Villon, werden so aus Unkenntnis und Vorurteil heraus posthum beschimpft, verleumdet und gemieden. Und doch waren beide auf der ständigen Suche nach sich selbst. Der verlorene, entratene oder schlicht unbekannte Wille zu sich selbst ist Quelle von Animismus (Projektion von menschlicher Seele und Geist auf die äußere Natur) und Animalität (persönliche Geist- oder Seelenbesessenheit). Für diese Zusammenhänge sind Crowley als auch Villon treffliche Beispiele. Der „wahre Wille“ war einer von Crowleys Lieblingsbegriffen, während ihm, oft von Suchtmitteln abhängig und auf der Flucht um die halbe Erdkugel, nichts mehr fehlte als ein Wille, der ihn zu sich selbst geführt hätte.

Ebenso erging es Villon. Von Klerus und Polizei wegen seiner Texte und diversen Gaunereien verfolgt und damit ständig auf der Flucht, war auch Villon auf der Suche nach sich selbst: „Ich kenne alles, nur mich selber nicht!“ Es ist nicht das Ziel unseres Projektes, zur Arbeit am kollektiven Schatten anzuregen, sondern die bestehenden Vorurteile abzubauen, den Dichter Villon und sein Werk näher kennenzulernen.

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Schloß Hardenberg. Bildquelle: © Jörg Pauli | theater&mehr

vom willen zu villon

Liest man jedoch das 60 Seiten lange „Leben des François Villon“ von Paul Zech im Anhang seiner Villon-Imitate „Die lasterhaften Lieder und Balladen des François Villon“, so hat man den Eindruck, die Biografie des Dichters sei bestens bekannt. Dabei sind in Wahrheit unsere Kenntnisse nur bruchstückhaft und ungleichmäßig. Sie stammen erstens aus sechs erhaltenen Pariser Dokumenten, die Villon in Zusammenhang mit Straftaten erwähnen, zweitens aus einer Sammelhandschrift des Herzogs und Lyrikers Charles d’Orléans (1394 -1465), die neben dessen Texten auch fremde Gedichte, darunter vier von Villon, enthält, und drittens und vor allem aus Informationen Villons selbst, die direkt oder indirekt entnehmbar sind aus seinen Werken, vor allem aus dem Testament, seinem Hauptwerk.

Villons Werk ist mit etwa 3300 Versen relativ schmal. Formal eher schlicht und konventionell, beeindruckt es vor allem durch die ungewöhnliche Prägnanz, Lebendigkeit und Ausdruckskraft seiner Sprache und Bilder. Da Villons Texte allesamt prekäre Momente oder Krisenphasen einer bewegten Existenz verarbeiten und den Eindruck einer starken persönlichen Betroffenheit des Autors vermitteln, sprechen sie auch heutige Leser noch an. Villon gilt zu Recht als einer der besten mittelalterlichen Lyriker Frankreichs.

tu‘, was du willst

„Tu‘, was Du willst…“, die Aufforderung, etwas eigenständiges, eigenwilliges zu schaffen, das nicht durch akademische -, Professoren- oder öffentliche Meinungsbildung in seinem originären Bild verformt ist. Villon tat, was er wollte. Dem wollen wir entsprechen.

Was liegt hier also näher, als Theater aus dem Theater herauszuholen und in den Lichtkegel des Museums, des Ausstellungsraumes zu schaffen? Theater hat in seinen vielfältigen Formen fast überall schon stattgefunden: in Fußgängerzonen, in Foyers, in Industriehallen, selbst auf Messen. Doch der Ausstellungsraum blieb meist außen vor, finden doch hier fast ausschließlich die bildenden Künste ihr zu Hause.

Wir wollen Theater im Ausstellungsraum schaffen und dadurch dem Betrachter die Möglichkeit geben, sich mit dem Werk Villons und unserer Interpretation auseinanderzusetzen. Zusätzlich kann der Zuschauer verschiedene Blickwinkel ausprobieren und vor allem, den Zeitraum seiner Betrachtung selbst wählen, ja sogar fast beliebig oft wiederholen. Das wird mit dem Theater schwierig bis unmöglich. Der Betrachter erhält einen begrenzten Zeitraum der Betrachtung und meist nutzt er ihn nur einmalig und läßt so nur einen, nämlich den ersten Eindruck auf sich wirken. Hier greift unser Ansatz des Projektes.

Und so schrieb die WAZ:
“Jörg Pauli und Margret Neu brachten eine in sich geschlossene szenische Darstellung auf die Bühne und zeigten Villon in ihrer ganz eigenen Interpretation – als verliebten Romantiker und Macho seiner Zeit, als Dieb und Poeten. Während die Zuschauer am Anfang einige Minuten brauchten, sich an die Sprache des 15. Jahrhunderts zu gewöhnen, wurde es in der Mitte des Stücks und zum Ende hin zunehmend leichter ihnen zu folgen – nicht zuletzt auch, weil die beiden Schauspieler ihre Rollen sehr authentisch und überzeugend verkörperten. So vielfältig wie die mittelalterlichen Gewänder und Kostüme, die Jörg Pauli und Margret Neu trugen, so facettenreich spielten sie die szenische Collage. Das Publikum belohnte das Duo mit langanhaltendem Applaus für die gelungene Aufführung – zu Recht.”

Letztendlich entschieden wir uns für eine Mischung verschiedener Übersetzungen, gleichzeitig paßten wir, wo es für das Verständnis notwendig war, einzelne Texte der heutigen Sprache an, da die Lyrik des französischen Mittelalters zuweilen schwer verständlich ist. Bei den Proben ergaben sich immer wieder Änderungen der Texte und der Darstellung, die wir in den kommenden Aufführungen beibehalten werden. So wird dieses Theater zu einem Bild, das sich permanent verändert; zwar in Nuancen, aber doch immer merklich. So tun wir, was wir wollen und geben dem Zuschauer nicht das, was er will, sondern das, was er braucht: einen neuen Aspekt seines eigenen Willens.

die entwicklung

Darüber hinaus gibt es für den Zuschauer kein abendfüllendes Programm. Es entfällt der Zwang zum Abendanzug und dem „kleinen Schwarzen“. Der Zuschauer kann während der Aufführungen durch den Ausstellungsraum laufen und verschiedene Blickwinkel aufnehmen, andere Akustiken aus anderen Perspektiven ausprobieren, an anderen Tagen die Aufführung sogar vielleicht komplett neu erleben. Damit hat der Zuschauer auch die Möglichkeit, seinen eigenen Willen hinsichtlich der darstellenden Kunst kennenzulernen.

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Kurze Pause. Bildquelle: © Jörg Pauli | theater&mehr

Für “Tu’, was Du willst” zeigen wir einen François Villon in unserer Interpretation: einen Rauf- und Saufbold, einen Dieb und hochbegabten Poeten, einen verliebten Romantiker und einen “Macho” seiner Zeit, der über eine schier unerschöpfliche Skala von Ausdrucksmitteln verfügt, die vom fäkalen und obszönen Jargon der Gosse über das vermeintliche Rotwelsch einer Gaunerbande bis hin zum abstrakten Idiom der neuplatonisch-höfischen Liebeslyrik reicht.

Die von uns ausgewählten Texte entstammen dem “kleinen” und dem “großen Testament” Villons. Jedoch war die Auswahl recht schwierig, da zahlreiche Übersetzungen oder Neudichtungen existieren, die häufig unabhängig und losgelöst vom Kontext stehen. So wurden das “kleine Testament” allein zwischen 1907 und 1964 sechsmal, und das “große” zwischen 1931 und 1981 fünfmal übersetzt. Leider geschah dies unabhängig voneinander, wobei die meisten Übersetzungen das mittelfranzösische Original und die Zeit- und Ortsgeschichte von Paris unberücksichtigt ließen. Mal reimen sich die Übersetzungen, mal nicht. Auch enthalten sie gelegentlich apokryphe Texte zeitgenössischer Sammlungen, die jedoch nichts mit Villon zu tun haben.

 

 

 

 

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[su_spoiler title=“ich kenne alles„]

Villon alles
Als krönenden Höhepunkt gab es die erweiterte Villon-Version als abendfüllendes Programm auf Tournee: “Ich kenne alles…”

ich kenne alles, nur mich selber nicht

„… auch riesig bin ich nur ein Wicht. Ich kenne alles, nur mich selber nicht.“ (François Villon)

Villon ist eigentlich François de Montcorbier oder François de Loges. Wir befinden uns in Paris im Frühjahr des Jahres 1431. Jeanne D`Arc ist tot, verbrannt in Rouen. Der hundertjährige Krieg zwischen Frankreich und England ist vorbei. Heinrich VI. von England feiert in Paris seine Krönung zum König. Das ausgeblutete Frankreich ist Schauplatz brutaler Hinrichtungen. Die Not gebiert täglich neue „Kriminelle“. Die Pest wütet im ganzen Land. Aberglaube und Elend beherrscht die Bevölkerung. Kein guter Zeitpunkt, um als Dichter zur Welt zu kommen…

Über das Leben und den gesellschaftlichen Hintergrund des Menschen Villon ist eher wenig bekannt. Er wächst in ärmlichen Verhältnissen auf, sein Vater stirbt früh und seine Mutter kann kaum für ihn sorgen, so beginnt er schon früh vagabundierend durch die Straßen zu ziehen und zu stehlen und wird dafür öffentlich von der Gendarmerie verprügelt. Schließlich gibt ihn seine Mutter zur Erziehung zum Kaplan Guillaume de Villon, dessen Namen er später annimmt. Dort erhält er neben einem ordentlichen Bad auch eine fundierte Bildung in Latein, Griechisch und Miniaturmalerei. Später (um 1449) wird er in die Künstlerfakultät der Sorbonne (älteste Universität Europas) aufgenommen. Seinen Lebensunterhalt verdient er sich als Hilfsschreiber.

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Bildquelle: © Jörg Pauli | theater&mehr

Zu dieser Zeit beginnt er auch, nächtens mit der Laute durch die Gasthäuser zu ziehen und dort zotige Lieder zu singen. Mit dem vorhandenen Liedgut war nicht viel anzufangen, es war prüde und zuckrig und so griff Villon bald selbst zur Feder. Im krassen Gegensatz zur hohen Minne nennt Villon ein Weib ein Weib, einen Schoß einen Schoß und sagt seiner Liebsten im Lied geradeheraus, dass sie ihm nackt am süßesten sei.

Neben vielen Liebesballaden gestaltete er in einer derben, oft kaltschnäuzigen Weise, meist mit unverhohlener Sympathie, das Treiben des Gelichters in der Gosse, das er so gut kannte, und verschmähte auch nicht den Wortschatz der Gauner und des fahrenden Volkes. Villon erwarb 1452 den Magistergrad an der Universität führte aber als Mitglied einer ich kenne alles: die alte schimpft auf villon und die männer …Gaunerbande ein höchst unkonventionelles Leben.

Sein Werk hat ihn bei weitem überdauert, gedruckt wurde es erstmals 1489 vom französischen Buchdrucker Pierre Leret, doch Anhänger hat er bis in die heutige Zeit. Als prominente Vertreter seien hier Bertolt Brecht, Bob Dylan und Wolf Biermann genannt.

françois villon: ein rauf- und saufbold

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Bildquelle: © Jörg Pauli | theater&mehr

Wir zeigen einen François Villon in unserer neuen Interpretation: Die von uns ausgewählten Texte entstammen dem “kleinen” und dem “großen Testament” Villons und diversen Balladen. Wir entschieden uns für eine Mischung verschiedener Übersetzungen, gleichzeitig paßten wir, wo es für das Verständnis notwendig war, einzelne Texte der heutigen Sprache an, da die Lyrik des französischen Mittelalters zuweilen schwer verständlich ist.

Bei den Proben ergaben sich immer wieder Änderungen der Texte und der Darstellung, die wir in den Aufführungen beibehalten werden. So wird dieses Theater zu einem Bild, das sich permanent verändert; zwar in Nuancen, aber doch immer merklich. Dabei richteten wir unser Augenmerk auch auf die Texte des Dichters in denen er die Frauen, die eine zentrale Rolle in seinem Leben spielten, zu Wort kommen lässt. Ein Aspekt, der in vielen Produktionen zu kurz kommt. Ein kraftvoller Beginn, und doch weiß Villon schon lange, dass auch diese Wildheit zur fahlen Asche zerstäuben wird. Einen Vorgeschmack davon bekommt er schon früh, als er sich in eine Bürgerliche verliebt, sie hofiert und nichts mehr wünscht, als diesem Kreis anzugehören, den er später so wortreich verspotten wird.

verschiedene frauen begleiten seinen weg

Bildquelle: © Jörg Pauli | theater&mehr

Sie läßt sich die Verse und Schmeicheleien des Dichters Villon gefallen, aber den Mann Villon hält sie hin. Verbittert schwört er der Liebe ab. Aber dieser Vorsatz hält nicht lange. Unausweichlich ziehen ihn Frauen in ihren Bann.

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Collage. Bildquelle: © Margret Neu

So unausweichlich, wie das Schicksal der Frauenfiguren selbst, die wir inszeniert haben: vier verschiedene Frauen, denen er begegnet sein mag. Jede in einem Moment ihres Lebens festgehalten. Zusammengefügt jedoch könnte es auch der bittere Lebensweg einer einzigen Frau sein. Villon hat hingehört und, das ist in seiner Zeit nicht üblich, sich zu ihrem Sprecher gemacht.

Er hat von vielen Bereichen des Frau-Seins etwas verstanden. Immer wenn er über Frauen schreibt oder sie zu Wort kommen läßt, gibt er jeder eine ganz eigene Färbung mit. Stimmungen, die auch seinen eigenen Lebensweg kennzeichnen. Die zweifelnde Hoffnung, der schale Triumph, die erniedrigende Abhängigkeit und die wehmütige Verbitterung sind die Grundgefühle der von uns ausgewählten Frauen.

Indem wir, uns seine Freiheit nehmend, Textpassagen neu miteinander verwoben, schufen wir Momente der Begegnung, in denen die Figur des Villon auf die weiblichen Schöpfungen des Dichters trifft.

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[su_spoiler title=“pressestimmen„]

explosive mischung aus liebe und grausamer realität

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Bildquelle: © Jörg Pauli | theater&mehr

„… Eine Explosive Mischung aus Liebe und grausamer Realität. Im Mittelpunkt steht Francois Villon, der Dichter. Sein Leben, seine Gefühle, seine Gedanken durchziehen das Stück wie Äste eine dichte Baumkrone. Textpassagen … umranken die Struktur, durchbrechen den erzählenden Charakter, geben Dynamik und Impulse. Erotisch, wie die Flammen der Leidenschaft, … temporeiche, kokettierende Sentenzen verkörpern die Glut der Jugend. Fast kommentierend, philosophierend, fügen sich Textpassagen des Vagabunden ein, der durch die Lande zieht und den Menschen von Liebe, Lust und Leidenschaft erzählt. Von den Höhenflügen heißester Gefühle und den bitteren Stunden, die fast naturgesetzmäßig folgen, wenn der Zauber zerbricht.
Dazwischen Ausschnitte aus dem Leben einer Hure, die gnadenlos Revue passieren lässt, was die kühnen Sprünge ungezügelter Leidenschaft im Laufe der Jahre aus ihrem Körper, ihrem Leben gemacht haben. Allgegenwärtig der Tod, der Verfall, das Grauen: als szenische Finesse eingeflochten in Form einer steinalten, zusammengesunkenen Frau, die Grabesluft zu umwehen scheint. Das ganze Szenario spielt vor sprechender Kulisse: Tief schwarzer Vorhang, ein feuerrotes Banner im Mittelbereich, ein Galgen und die große Pforte zum Bordell. Die Essenz verkörpert der Dichter, dessen Leben zwischen den Polen brennenden Verlangens, glühender Liebe und marterndem Hunger spielt. Der schließlich am Galgen verreckt, ein jämmerlicher Tod, ein grausiges Ende. Das Publikum honorierte die Aufführung mit tosendem Beifall…“ WAZ

das wilde leben des villon

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Bildquelle: © Margret Neu

„…Das wilde Leben des Francois Villon – Applaus für gelungene Darstellung einer zerrissenen Persönlichkeit. Poet, Dieb und Zuhälter – einen Einblick in das wilde Leben des Francois Villon bot die szenische Collage „Ich kenne alles, nur mich selbst nicht“ nach Texten des Dichters. Mit der Aufführung des Solinger Ensembles „theater&mehr“ am Freitagabend endete das Begleitprogramm zur VHS-Kunstausstellung „StückWerken“ im Stadtmuseum. Jörg Pauli und Margret Neu nahmen die Zuschauer mit auf eine Zeitreise ins Frankreich des 15. Jahrhunderts. Die beiden Darsteller glänzten in wechselden mittelalterlichen Kostümen. Während sich die Darsteller hinter der Bühne umzogen, machte zeitgenössische Musik vom Band die Illusion vom Mittelalter komplett. Pauli verkörperte den Dichter Villon, der sich als Mitglied einer Gaunerbande durchschlug, in seiner ganzen Zerrissenheit – ob als verliebter Romantiker oder als Zuhälter, der seine Freundin anschaffen schickt. Und sie verprügelt und mit drastischen Worten erniedrigt, weil sie nicht genug Geld mit nach Hause bringt. Margret Neu glänzte in den Rollen der verschiedenen Frauen, die dem Dichter begegnet sein mögen – Geliebte, betende Mutter oder gebrochene, zerlumpte alte Frau. Zusammengefügt könnten die Rollen auch den bitteren Lebensweg einer einzelnen Frau ergeben. Außerdem sorgte Neu als Erzählerin für die Verbindung der einzelnen, spotartigen Szenen. Und begleitete den Lebensweg Villons bis an den Galgen. „Ich kenne alles, nur mich selbst nicht“, stellte Pauli/Villon am Ende in zerrissenen Kleidern und mit einem Strick um den Hals fest. Mit langanhaltendem Beifall belohnten die Zuschauer eine gelungene Aufführung…“. WAZ

facettenreiche szenische collage

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Bildquelle: © Margret Neu

„…Jörg Pauli und Margret Neu brachten eine in sich geschlossene szenische Darstellung auf die Bühne und zeigen Villon in ihrer ganz eigenen Interpretation – als verliebten Romantiker und Macho seiner Zeit, als Dieb und Poeten. Während die Zuschauer am Anfang einige Minuten brauchten, sich an die Sprache des 15. Jahrhunderts zu gewöhnen, wurde es in der Mitte des Stücks und zum Ende hin zunehmend leichter ihnen zu folgen – nicht zuletzt auch, weil die beiden Schauspieler ihre Rollen sehr authentisch und überzeugend verkörperten. So vielfältig wie die mittelalterlichen Gewänder und Kostüme, die Jörg Pauli und Margret Neu trugen, so facettenreich spielten sie die szenische Collage. Das Publikum belohnte das Duo mit langanhaltendem Applaus für die gelungene Aufführung – zu Recht …“ WAZ

derbe texte über die liebe

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Bildquelle: © Jörg Pauli | theater&mehr

“…dort, wo im Mittelalter sonst rührende Minnelieder für gnädige Fräuleins geträllert wurden, da sang Villon eher derbe Texte und vergraulte Klerus und Staat … Heute kennt man Villon zeitgenössisch von Brecht, Dylan oder Kinski und auch die Darbietung von Neu/Pauli mutete zeitweise höchst zeitgenössisch an. Da geht es um die Liebe und Leidenschaft, um Enttäuschung und Verbitterung. Manchmal möchte man Villon schlagen für die Abscheulichkeiten, die er von sich lässt. Selbst von einer Frau enttäuscht, nutzt er das weibliche Geschlecht nur noch aus, spottet, rast. Dann ist er wieder zärtlich und liebevoll, nachdenklich, traurig … Doch egal, welche Gemütslage gerade vorherrscht, Jörg Pauli vermag sie alle hervorragend darzustellen…” KR

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[su_spoiler title=“zuschauermeinungen„]

Wir haben uns nach den guten Kritiken der Presse auch außerordentlich über die Zuschauermeinungen aus unserem Gästebuch gefreut:

  • „Dank für die gute Zusammenarbeit. Ihre Aufführung trug wesentlich dazu bei, dass die Ausstellung eine runde Sache war.“ Museum Schloß Hardenberg
  • „Das Stück wird mir unvergessen bleiben.“
  • „Viele schöne Worte und Gesichter – Prima!“
  • „Es war super spannend und überraschend!“
  • „Es war beeindruckend!“
  • „Toll, beeindruckend, ausdrucksstark. Bezüge zu heute erlaubt. Danke!“
  • „Habe Villon vor 20 Jahren gelesen – und morgen nochmal. Klasse!“
  • „Die Darsteller waren grandios, großartig. Besser geht’s nicht!“
  • „Danke, danke für den tollen Abend!“
  • „Fantastische Vorstellung!“
  • „Alte Frauen sind beeindruckend, gehen unter die Haut, machen Angst und sind beruhigend.“
  • „Kompliment für diesen eindrucksvollen Theaterabend.“
  • „Wie viele Zuschauer kam auch ich über Klaus Kinski zu Villon. Ihre Umsetzung allerdings in Form des Kammerspiels zeigt eindrucksvoll eine andere, viel weitere Facette. Es hat mir sehr gut gefallen. Herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Arbeit!“
  • „Schauspielerisch sehr gut. Gute Verwandlungskunst in die einzelnen Rollen. Danke für das Spiel!“
  • „Es hat mir einen großen Genuß bereitet.“
  • „War klasse!“
  • „Ein großes ‘merci’ Euch beiden für diese eindrucksvolle Schilderung – Verkörperung – Riechung – Schmeckung – Fühlung des François und seinen Weibern! Bravo!“
  • „Ein von Intensität und starken Gefühlen geprägter Abend. Bravo!“
  • „Francois Villon, wie ich ihn noch nie so kannte und wahrscheinlich nicht wieder so sehen und hören werde. Das war professionell!“
  • „Beeindruckend, begeisternd , brisant – einfach spitze!“
  • „Bin schwer beeindruckt.“
  • „Trotz widriger Umstände hervorragend und ausdrucksstark.“
  • „Schöne Texte, wunderbar dargebracht. Hoffentlich erneut zu sehen.“

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